- Regie:
- Johannes Naber, frei nach dem Märchen von Wilhelm Hauff
- Land und Erscheinungsjahr:
- Deutschland 2016
- Altersfreigabe der FSK:
- ab 12 Jahren
- Altersempfehlung:
- sehenswert ab 12 Jahren
- Länge:
- 119 Minuten
- Kinostart:
- 20. Oktober 2016
Holzkohle, wie wir sie heute gerne zum Grillen verwenden, wurde in früheren Jahrhunderten von der Berufsgruppe der Köhler in Meilern mitten im Wald hergestellt. Eine harte, schmutzige und entbehrungsreiche Arbeit, die im Mittelalter nicht besonders anerkannt war. Der junge Peter und seine Eltern sind Köhler und werden von den anderen Bewohnern des Dorfes im Schwarzwald deswegen verachtet. Die reichen Holzfäller verprügeln sie sogar immer wieder, auch die Händler sehen auf sie herab. Nur zu gerne würde Peter in der Dorfgemeinschaft anerkannt sein, zumal er sich in Lisbeth verliebt hat, die Tochter des Glasmachers Löbl. Sie ist aber dem reichen Holzhändlersohn Bastian versprochen.
Peter glaubt, ihr Herz nur dann erobern zu können, wenn er reich und angesehen ist. Als seine Mutter ihm die Sage vom Glasmännchen erzählt, sieht er eine Chance, sein Ziel zu erreichen. Denn dieser sagenumwobene Waldgeist erfüllt angeblich allen Sonntagskindern drei Wünsche. Und Peter ist an einem Sonntag geboren. Nach mehreren Anläufen findet er tatsächlich das Glasmännchen und wünscht sich von ihm, der beste Tänzer im Dorf zu sein, um Lisbeth und den anderen zu imponieren. Beim Würfeln im Gasthaus möchte er immer so viel Geld in der Tasche haben, wie der reiche Holzhändler Ezel. Und drittens möchte er die schönste Glashütte im Schwarzwald besitzen, obwohl er gar nicht weiß, wie man Glas herstellt.
Peters Wünsche gehen in Erfüllung, er wird reich und angesehen im Dorf und der Hochzeit mit Lisbeth steht nichts mehr im Weg. Doch dann gewinnt er beim Würfeln plötzlich gegen Ezel und seine Taschen sind genauso leer wie die seines Gegenspielers. Da Peter das viele Glas nicht gut verkaufen konnte, ist er zudem hoch verschuldet. So weiß er nur noch einen Ausweg. Der Holländer-Michel, ein einst von den Menschen verstoßener brutaler Holzfäller, muss ihm helfen. Dieser schlägt ihm einen Handel vor: Peter soll ihm sein Herz geben und bekommt dafür ein steinernes Herz, das ihn genauso gefühllos macht, wie viele der reichen Dorfbewohner, die sich offenbar ebenfalls auf diesen Handel eingelassen hatten. Bar jeden Mitgefühls für die Schwächeren kehrt Peter als reicher Mann aus Holland in den Schwarzwald zurück und spielt dort rücksichtslos seine Macht aus. Lisbeth allerdings will ihn nicht mehr heiraten. Erst als er sie bei einem Streit tötet, erkennt Peter, was er angerichtet hat und möchte sein altes Herz vom Holländer-Michel zurückhaben.
Der deutsche Theologe und Schriftsteller Wilhelm Hauff (1802-1827) schrieb das Märchen „Das kalte Herz“ nur wenige Monate vor seinem frühen Tod als Teil der Rahmenerzählung „Das Wirtshaus im Spessart“. Obwohl das Märchen im Mittelalter angesiedelt ist und zum Teil auf regionalen Sagen beruht, übte Hauff damit vor allem Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen seiner Zeit kurz vor Beginn der Industrialisierung. Damals begannen die Menschen, sich aus Gier systematisch der Natur zu bemächtigen, etwa indem riesige Holzbestände im Schwarzwald vernichtet wurden, um sie zu verkaufen.
Der Regisseur Johannes Naber ging in seiner Neuverfilmung des Märchens als einem Gleichnis für gesellschaftliche Fehlentwicklungen noch einen deutlichen Schritt weiter. Er erschuf einen Schwarzwald, den es in dieser Form nie gegeben hat. Teile des Films wurden zwar tatsächlich dort gedreht, andere jedoch im sächsischen Elbsandsteingebirge. Das Dorf steht nicht etwa irgendwo inmitten der Natur. Es wurde im Studio in zweimonatiger Bauzeit aufwändig als Kulisse errichtet. Bei der Darstellung der Waldgeister wie dem Glasmännchen griff er auf Kenntnisse über Naturvölker auf der ganzen Welt zurück, die sich noch als Einheit mit der Natur begreifen. Auch die Gesichtstätowierungen der Dorfbewohner hat es damals im Schwarzwald nie gegeben. Durchaus im Sinne der literarischen Vorlage verweisen sie aber deutlich auf den jeweiligen gesellschaftlichen Stand der Figuren.
Anders als in der Vorlage wird Lisbeth gleich zu Beginn neben Peter zu einer zentralen Figur, die später auch seine Wandlung zu einem besseren Menschen bewirkt. Und die phantastischen Momente der Geschichte bleiben zwar erhalten, werden aber durch eine insgesamt realistische Darstellung und um einige kleine Horrorelemente ergänzt. Beispielsweise wirken die von der Felsdecke hängenden Herzen in der Höhle des Holländer-Michel sehr echt und eine lange Operationsnarbe entlang der Brust deutet darauf hin, dass Peter tatsächlich eine schwierige Operation am Herzen hinter sich hat.
Märchenverfilmungen sind zurzeit sehr gefragt. In aller Regel werden sie heute jedoch für das Fernsehen verfilmt und nicht für das Kino. Die Neuverfilmung des Hauff‘schen Märchens ist da eine große Ausnahme. Sie richtet sich an ältere Kinder und Erwachsene gleichermaßen und besticht durch ihre ungewöhnliche visuelle Umsetzung, die reichhaltige Ausstattung und ein hochkarätiges Darstellerensemble.
Obwohl die Geschichte konkret im Mittelalter spielt, wirkt sie doch zeitlos in der Darstellung menschlicher Gier, Rücksichtslosigkeit gegenüber den sozial Schwächeren und Ausgrenzung derjenigen, die als unerwünscht gelten. Geradezu modern wirkt sie, indem sie auf mitreißende Weise veranschaulicht, dass Karrierestreben um jeden Preis und die Vermehrung des eigenen Reichtums, also das „Immer mehr haben wollen“ dem Gemeinwohl und dem persönlichen Glück jedes Einzelnen entgegenstehen.
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