Hanisauland: Lexikon @todo: aus Preprocess

Dem auf dem 11. Internationalen Chemnitzer Filmfestival für Kinder und junges Publikum mehrfach ausgezeichneten Film gelingt es, die Gefühle der Zuschauer unmittelbar anzusprechen und seine ernsten Themen vollkommen unspektakulär zu visualisieren und unkompliziert zu vermitteln. Gilles Begeisterung für den Fußballsport beispielsweise wird durch den Sport erfahrenen Hauptdarsteller Ilya Van Malderghem glaubhaft verkörpert und mit filmischen Mitteln unterstützt. Extreme Bildeinstellungen, kurze Schnittfolgen und Wechsel in der Einstellungsgröße, teilweise abgelöst von Zeitlupenaufnahmen, und die Kamera in Kniehöhe der über den Rasen rennenden Spieler machen diese Szenen zu einem atemberaubenden Erlebnis auch für diejenigen, die diese Sportart nicht über alles lieben.

Einige Ereignisse in Gilles Leben werden nur in knappen Dialogen angedeutet, etwa wenn er der besorgten Mutter in Gegenwart eines Psychiaters erklärt, dass sein Vater ganz real und nicht etwa als Geist bei ihm sei. Der Film zeigt diese Bilder wie eine äußere Realität. In einer besonders dramatischen Szene, in der es Gilles gelingt, von seinem Vater Abschied zu nehmen, lässt sich der Junge überreden, mit ihm in das „Schattenreich der Toten“ zu gehen und begegnet dort in einer nächtlich erleuchteten Fußballarena auch den einstigen Idolen des Vaters von Manchester United 1958. Selbst solche Szenen wirken symbolisch nicht allzu sehr überfrachtet, sondern sind ganz aus der Perspektive des Jungen und seiner zwischen Bewunderung und Distanzierung schwankenden Gefühlswelt gedreht. Sie sind für Gilles und die Zuschauer damit weitaus weniger bedrohlich als das, was seine Mutter – in einer Parallelmontage nur angedeutet – durchmacht, die nach Gilles plötzlichem Verschwinden um das Leben ihres Sohnes fürchtet.
Darüber hinaus glänzt der Film mit humorvollen Einfällen – etwa wenn Gilles und Lies ihr Geheimnis um die Salbe unter dem Decknamen „Zahnpasta“ hüten, oder mit Berts Antwort nach Gilles Einladung zu einem Testspiel, das sei die „beste Nachricht“, seit er gestorben sei. Die schräge Liebesbeziehung zu Lies, der Gilles zunächst abwehrend begegnet, und die neidlose Freundschaft zwischen Gilles und Desiré wecken zusätzlich das Interesse der jugendlichen Zuschauer und erleichtern Identifikationen.

Ein tragfähiges Drehbuch wurde handwerklich perfekt, mit gut ausgewählten Darstellern, gutem Gespür für Timing und einer gelungenen Mischung aus spannenden, lustigen und dramatischen Szenen in einen Kinofilm im Cinemascopeformat umgesetzt. Der Film ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass erlebnisreiche Kinounterhaltung auch mit schwierigeren Themen möglich ist, wenn die Bedürfnisse des Publikums sensibel berücksichtigt werden. Er macht Kindern Mut, sich auch mit ernsteren Themen zu beschäftigen und schwierige Entscheidungen im Leben zu fällen. Der Tod des Vaters belastet Gilles schwer. Er führt aber andererseits zu der dringend notwendigen Auseinandersetzung mit den Eltern und ermöglicht es dem Jungen, sein eigenes Leben, unabhängig von den Wünschen des Vaters, zu gestalten und sich auch mit der Mutter und ihrem neuen Freund zu versöhnen. Gilles wird erwachsener, lernt die Übernahme von Verantwortung für sich und seine Zukunft, aber auch für seine jüngere Schwester Emma, und macht mit Lies seine ersten Erfahrungen in der Liebe.

Zugleich verdeutlicht der Film, dass es im Leben nicht nur Gewinner und Verlierer gibt, sondern jeder Verlust auch eine Chance auf etwas Anderes oder einen Neuanfang bietet und ein Sieg mitunter einen zu hohen Preis fordert. Stimmig eingearbeitet in die Erlebniswelt des Jungen sind auch die Nebenhandlungen des Films, wie etwa Gilles ungebrochene Freundschaft zu einem etwas älteren behinderten Jungen, der im Gemüseladen des Vaters arbeitete. Vor allem aber besticht der Kinderfilm durch seine zielgruppengerechte Auseinandersetzung mit dem Tod und dem Abschiednehmen: nicht nur von geliebten Menschen, sondern auch von Wünschen und Idealen, die sich im Leben nicht immer so realisieren lassen wie erhofft.