Schule und Arbeit heute und vor hundert Jahren
Hanno und Cecilia aus der 5. Klasse des Französischen Gymnasiums in Berlin denken darüber nach, wie es in der Schule und auf der Arbeit vor 110 Jahren war und wie sich das von heute unterscheidet. Waren die Lehrer strenger oder netter als heute? Und wie sah wohl die Arbeit der Kinder aus? Außerdem verraten uns Cecilia und Hanno ihre Pläne für die Zukunft.
Wie sah der Schulalltag vor ca. 100 Jahren wirklich aus?
Sebastian Ruff von der Sammlung Kindheit und Jugend in der Stiftung Stadtmuseum Berlin beantwortet die Fragen der Kinderredakteure Anissa, Chloé, Clara, Dagmara und Gaïa vom Bösen Wolf.
Waren Mädchen und Jungen in derselben Schulen?
In der Zeit zwischen 1880 und 1920 konnte es passieren, dass Jungen und Mädchen zwar in einem Schulhaus Unterricht hatten, aber sich ansonsten gar nicht sahen. Viele Schulgebäude hatten an den beiden Seiten getrennte Eingänge für Jungen und Mädchen und in den Klassen wurden dann Jungen und Mädchen einzeln unterrichtet.
Es gab aber auch Schulen, besonders in kleineren Städten oder auf dem Land, wo Jungen und Mädchen ganz normal wie heute auch gemeinsam unterrichtet wurden.
Hatten sie Schulranzen?
Schulkinder hatten zu der Zeit des Ersten Weltkriegs meistens Schulranzen aus Leder. Diese wurden mit zwei Lederriemen über die Schultern getragen wie man heute auch Rucksäcke trägt. Sie waren meist aus braunem oder schwarzen Leder oder Stoff und kleiner als die heutigen Schulrucksäcke. Sie hatten eine Klappe, mit der sie vorne verschlossen wurden.
Haben die Schüler Kittel getragen?
In den Schulen Berlins gab es keine Schuluniformen, die alle Schüler und Schülerinnen tragen mussten. Die Lehrer achteten aber trotzdem darauf, dass die Schüler sauber, gekämmt und mit ordentlicher Kleidung in die Schule kamen. Sehr beliebt bei Jungen und Mädchen war seit den 1880er Jahren der Matrosenanzug als Kleidung für junge Menschen. Der Matrosenanzug wurde auch von den Jungen in der kaiserlichen Familie getragen, hier lag das Vorbild für diese Kleidung. Jungen und Mädchen trugen diese Anzüge, so dass auf manchen Klassenfotos aus der Zeit um 1900 bis 1920 fast alle Schulkinder gleich angezogen aussahen.
Welche Schulen gab es damals?
Es gab viele öffentliche Schulen: Volksschulen, Realschulen und Gymnasien.
Gab es auch Privatschulen?
Ja, neben den öffentlichen Schulen gab es besonders in den großen Städten auch einige wenige Privatschulen. Wie heute auch, musste man dort ein hohes Schulgeld zahlen, so dass nur Kinder aus wohlhabenden Familien solche Privatschulen besuchen konnten. Neben den Privatschulen erhoben aber auch die öffentlichen Gymnasien und andere höhere Schulen, die den Schülern den Weg zum Abitur boten, Schulgeld.
Die Schulfächer
Hatten sie damals dieselben Fächer wie heute?
Ein normaler Stundenplan eines Schülers einer Mittelschule in der Stadt war im Jahr 1910 nicht weniger vollgepackt mit Unterricht als heute. Der Stundenplan eines Schülers der 5. Klasse sah pro Woche vor:
2 Stunden Religion, 5 Stunden Deutsch, 4 Stunden Englisch, 1 Stunde Geschichte, 1 Stunde Erdkunde, 4 Stunden Mathematik, 2 Stunden Biologie, 1 Stunde Schreiben, 2 Stunden Zeichnen, 2 Stunden Singen, 3 Stunden Turnen und 2 Stunden Wahlfach Hand- und Gartenarbeit.
Hatten sie viele Schulbücher?
Auch damals hatten Schulkinder bereits für viele Fächer Schulbücher. Am wichtigsten war dabei die Fibel für den Deutschunterricht. Daneben gab es aber auch schon Schulbücher für Mathematik, Biologie und Englisch. Es war aber manchmal auch so, dass die Schulbücher beim Klassenlehrer gelassen wurden und er diese dann vor Beginn der Stunde austeilte.
Welche Sprache hat man in den Schulen gesprochen? Hochdeutsch? Oder auch Bayerisch, Schwäbisch? Haben die polnischen Schüler Polnisch oder Deutsch gesprochen?
Insgesamt war das Ziel, dass in den Schulen im Deutschen Reich ein Unterricht in Hochdeutsch geführt wird. Natürlich ließ sich nicht verhindern, dass die Lehrer und Schüler im täglichen Unterricht auch wieder in ihre Dialekte und Mundarten verfielen.
In der Frage der Schulen im heutigen Polen waren die Bestrebungen der Deutschen Schulverwaltung ganz klar: Der Unterricht sollte in deutscher Sprache durchgeführt werden, die Unterrichtssprache Polnisch sollte verdrängt werden. Trotz all dieser Bemühungen gab es in Polen immer sehr viele Lehrer, die in Polnisch unterrichteten.
Schulpflicht und Arbeit
Gingen alle Kinder in die Schule?
Im Deutschen Reich herrschte zur Zeit des Ersten Weltkriegs schon einige Zeit die Schulpflicht, so dass fast alle Kinder auch wirklich zur Schule gingen. Es gab aber auch Situationen, in denen die Kinder arbeiten mussten (in der Fabrik oder auch auf dem Land bei der Ernte), so dass manchmal die Schulpflicht missachtet wurde. Und manchmal gab es vielleicht kein Geld für das Schulgeld.
Mussten manche Kinder richtig arbeiten?
Kinderarbeit war nur in ländlichen Gegenden das Problem, nicht zu kontrollieren waren die Familien die Heimarbeit gemacht haben. Viele Familien haben sich Geld damit verdient, indem sie Spielzeuge herstellten. Auch Kinder mussten helfen solche Spielzeuge herzustellen, teilweise auch vor oder nach der Schule.
Wie lange gingen die Kinder in die Schule?
Bis 1914 waren fast alle Schüler 8 Jahre in der Schule, vor allem in der Stadt, so dass die Kinder mit 14 Jahren die Schule verlassen konnten, um zu arbeiten oder in eine Lehre zu gehen. Die Gymnasien und andere höheren Schulen musste man bis zum 18. Lebensjahr besuchen.
Im Krieg
Welche Änderungen gab es während des Krieges in Schulen?
Die größten Veränderungen in Schulen in Berlin brachte der Kriegsdienst der Lehrer und Väter mit sich. Der Unterricht musste immer öfter entfallen, weil die Lehrer in den Krieg ziehen mussten. Die Mütter waren nun für die Betreuung ihrer Kinder während der Schulzeit zuständig, sie besuchten Elternversammlungen und unterschrieben die Zeugnisse. Zu wichtigen Kriegsereignissen, Schlachten oder Heldentagen, wurden in den Schulen entweder Feste veranstaltet oder schulfrei gegeben.
Ab welchem Alter zogen die Schüler in den Krieg?
Viele der älteren Schüler an Gymnasien und anderen höheren Schulen waren 1914 sehr begeistert vom Krieg. Sie nahmen dann an freiwilligen vormilitärischen Übungen teil und wurden in sogenannten Jugendkompanien organisiert. Diese Kompanien konnte man besuchen, wenn man mindestens 16 Jahre alt war. Hier wurden die jungen Männer auf den Kriegsdienst vorbereitet, viele von ihnen hatten sich bereits freiwillig für den Einsatz im Krieg gemeldet. Nach den ersten Kriegsjahren war die Begeisterung der Jugendlichen für den freiwilligen Vorbereitungsdienst nicht mehr so groß. Im Jahr 1916 wurde von der Politik und dem Militär gefordert, Männer ab dem 16. Lebensjahr für den Krieg einzuziehen, diese Pläne wurden aber nie Wirklichkeit. Im Dezember 1916 wurden dann alle Männer zwischen 18 und 60 zum sogenannten „vaterländischen Hilfsdienst“ herangezogen. Dieser Hilfsdienst konnte in den Jahren 1917 und 1918 aber dann auch Kinder bis hinunter zu 12 Jahren erfassen.
Mussten Schüler aufgrund des Krieges die Schule verlassen, um arbeiten zu gehen?
In den Kriegsjahren waren Schulkinder häufig außerhalb der Schule zu Hilfsdiensten eingesetzt. Neben vormilitärischen Ausbildungen gab es auch Hilfsdienste in der Landwirtschaft, das Sammeln von Altstoffen und Papier, das Sammeln von Kleidung, Brennmaterial etc. In vielen Bereichen trugen die Kinder zur Linderung der Not bei und ersetzten die Väter und Männer, die im Feld ihren Militärdienst leisteten.