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Spezial

Die schwarze Fee - "allgemein"

von
Eine Gruppe von Personen, von denen nur zwei einen Wahlzettel hochhalten.

Geliebte Tagesmutter

Lisa und Karl liebten ihre Ersatzmama wie verrückt. Am liebsten kuschelten die beiden 11- und 13-jährigen Geschwister mit ihrer Tagesmutti, die sie schon seit ihrer Kindheit begleitete. Und während sie das taten, erzählte Fee, so hieß sie, ihnen Geschichten aus ihrer Kindheit. Fee war schätzungsweise knapp über 60 und ziemlich dick, wie sie selbst fand. Außerdem war sie nicht so hektisch wie ihre eigene Mama, und dass sie schwarz war, fiel den Kindern schon lange nicht mehr auf.
Die Geschichten, die Fee zu erzählen hatte, waren immer ganz besonders spannend: Sie erzählte von ihrem Heimatland, das weit weg war, von Tieren, die Lisa und Karl nur aus dem Zoo kannten, von Häusern und Hütten, die sie in Deutschland nur in Büchern sahen und einer glücklichen und unbeschwerten Kindheit mit viel Zeit und wenig Spielzeug. Fast unvorstellbar für Kinder, die wie Lisa und Karl in Köln lebten. Und nach den Wochenenden gaben Lisa und Karl immer eine Geschichte von ihrer Nanny in der Klasse zum Besten, der alle – auch die Lehrerin – gerne zuhörten.

Ausgrenzung und Rassismus

Aber es gab auch andere Geschichten. Geschichten, die die Geschwister mit zunehmendem Alter immer öfter von Fee hörten: Von Ungerechtigkeiten und Ungleichheit, von Gewalt und Dummheit. Von einer Kindheit, in der Schwarze und Weiße ein gänzlich anderes Leben führten. Von Wut über Benachteiligungen und von Eltern und Kindern, die in tiefer Armut lebten. Und wenn Fee nicht erzählen wollte, dann erzählten Karl und Lisa. Fee konnten sie alles anvertrauen, auch die Dummheiten. Viele Sachen erfuhren Mama und Papa erst sehr viel später.

Projektwoche Bundestagswahl

Als die Geschwister an der Schule eine Projektwoche zur kommenden Bundestagswahl hatten, nahmen sie den Auftrag einer Lehrerin mit, doch mal zu fragen, wie die Wahlen in Fees Kindheit waren. Konnten dort auch alle Menschen mitbestimmen? Gab es in ihrem Land Wahlen wie bei uns?
Auch ohne Auftrag der Lehrerin: Lisa und Karl hätten sowieso gefragt. So ein kompliziertes Thema! Da verstand man einfach viele Dinge gar nicht und musste nachhaken. Zum Beispiel was das mit den „allgemeinen“ Wahlen auf sich hatte. Dass die Wahlen geheim sind, versteht sich ja von selbst und dass jeder die Partei wählen darf, die er möchte, war Lisa und Karl auch klar. Aber „allgemein“? Warum war das so wichtig? Und überhaupt: „Was geht uns das an?“ Selten waren Lisa und Karl so gelangweilt von einem Schulthema. „Total öde! Und das hat mit uns doch gar nicht zu tun!“

Fee erzählt von Südafrika

„Oh, doch“, Fee war wie angefasst. „Als ich so alt war wie ihr, da hätten sich die Schwarzen in meinem Land nichts sehnlicher gewünscht, als eine echte demokratische Wahl. Auch die Kinder! Wir bekamen ja mit, wie schlecht es unseren Eltern ging. Aber damals hatten wir keine Chance. Wir waren von den Weißen getrennt, hatten wenig Rechte und durften schon gar nicht wählen. Hätten wir das gekonnt, die Welt wäre eine bessere gewesen. Da bin ich ganz sicher. Und wir Kinder hätten wahrscheinlich einer besseren Zukunft entgegen gesehen. Aber: Den Schwarzen ging es schlecht, den Weißen gut. Alles gewollt von Politikern, die Wohl und Wehe nur an der Hautfarbe festmachten.
Das klingt, als sei es Jahrhunderte her. Tatsache ist, dass die Apartheid, also die Trennung zwischen weißen und schwarzen Menschen, in meinem Heimatland erst vor etwa dreißig Jahren aufgehoben wurde. Bis heute gibt es noch Länder, in denen nicht jeder Bürger und jede Bürgerin die gleichen Rechte hat. In Deutschland haben alle Staatsbürger die Möglichkeit zu wählen. Ob weiß oder schwarz, ob arm oder reich, ob dumm oder schlau, ob Christ oder Muslim. Und es gibt auch keinen Unterschied für Frauen und Männer - denn alle müssen mit den Folgen der Wahl leben.“ Lisa und Karl hingen an den Lippen von Fee. Mit Feuereifer gingen die beiden am nächsten Morgen zur Schule. Jetzt freuten sie sich auf das Schulprojekt und auch darauf, Fees Erlebnisse zu berichten.

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